Die Beinkleidung einer Königin

Archäologische Grabungen zwischen den Jahren 1953 und 1980 unter der Krypta der Basilika von Saint Denis wurden mehrere Gräber der merowingischen Dynastie entdeckt . Eines dieser Gräber (Grab 49) enthielt ein reichhaltiges Inventar von Kleidungsfetzen, Schmuck und persönlichen Gegenständen in erstaunlich gutem Erhaltungszustand. Der monolithische Steinsarkophag lag bis zum Datum seiner Entdeckung ungestört tief unter dem Boden. Ein Ring mit Inschrift ermöglichte die Identifizierung Frankenkönigin Arnegunde. Fast 50 Jahre nach dieser Exhumierung  (1959) nach einer abenteuerlichen Suche der in Museen, Lagerräumen und einem seit Jahrzehnten verschlossenen Tresorschrank konnte dieses kostbare Inventar wieder vereint werden .

 

 

Ein Team von Forscher und Experten untersuchte dieses königliche Inventar unter der Leitung des Direktoren des Archäologischen Nationalmuseum Frankreichs  Herrn Patrick Perrin . Eine Publikation des vollständigen Kataloges der Merovingergräber gemäss neustem Wissensstand ist für nächstes Jahr geplant .

Ein zusammenfassender Bericht erschien in der Zeitschrift Histoires et images Médiévales Nr. 25 und eine Mediatisierung des Königinnengrabes durch Presse, Radio und Fernsehen kündigte die Sonderausstellung im Archäologischen Nationalmuseum Frankreichs  in Saint-Germain-en-Layean. Dort sind die edlen Schnallen, Schmuckstücke und Bekleidungsreste sowie wahrheitsgetreue Nachbauten zu sehen.

Als Kostprobe der nächstjährigen Publikation möchten wir hier einen Auszug unserer Arbeit zeigen. Wir hatten die Ehre und das Privileg die Leder dieses einmaligen Fundes von nationalem Interesse zu untersuchen und auch die Lederobjekte zu rekonstruieren.

Alles begann mit einer systematischen Aufzeichnung sämtlicher Lederfragmente am Beispiel der hier gezeigten Schuhfragmente und Riemenfetzen der Beinbindung. Man achtete auf Arbeitsspuren und Abnützungserscheinungen, suchte die Richtung des Leders anhand der Porenanordnung und verglich die Beschaffenheit des Leders um Hinweise für die vorgesehene Rekonstruierung zu sammeln.

Es dauerte einige Zeit mit vielen Nachforschungen und Versuchen bis man die Lederteile in wieder deren Ursprünglichen Lage setzen konnte und ein Schnittmuster zu erstellen. Mehrere Anläufe waren nötig bis ein vertretbares Beispiel der Rekonstruktion entstand das auch unseren kritischsten Anfechtungen Stand hielt.

Erstaufzeichnung der Lederfragmente,
Feldnotitz von M.Volken, ©Gentle Craft, Lausanne

Positionierung der Lederfragmente auf dem rekonstruierten
Schnittmuster, M.Volken © Gentle Craft Lausanne

Arnegundis Bestattungsschuhe, Rekonstruktion
von M.Volken, ©Gentle Craft, Lausanne


Die Beinbinden waren ein besonderes Kopfzerbrechen weil von den ursprüngliche ausgegrabenen Lederteile mehr als die Hälfte fehlten. Man hatte auf damalige Photographien und Dokumentierung zurückgreifen. Die Position der Schnallen und Beschläge wie sie im Grab lagen lieferten unentbehrliche Hinweise. Die untere Gruppe wurde damals als Schuhschnallen interpretiert.

Die schlussendliche Rekonstruktionszeichnung konnte uns endlich über die merowingische Beinkleidung ihrer königlichen Hoheit Arnegundis, Königin der Franken und Gemahlin Königs Chilperic I aufklären. Nun wissen wir endlich wie sich diese zusammensetzte und wie sie gebunden war. Es handelt sich tatsächlich um eine sehr majestätische Beinkleidung.

Merovingische Beinbindung, in Situ Zeichnung und Collage von S. Volken ©Gentle Craft, Lausanne.

Rekonstruktionszeichnung der Schuhe und Beinbindung Arnegundis, Bleistiftzeichnung M. Volken, © Gentle Craft, Lausanne